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Gemäß mündlicher Überlieferung waren während der Qing-Dynastie
(1644-1911) die Shaolinmönche aufgrund ihrer Kampfkunst derart
berühmt, dass sich der damalige Kaiser Kangxi Sorgen um seinen
Einfluss machte und beschloss, die Mönche zu töten und das
(südliche) Shaolinkloster zu vernichten. Dies misslang, da die
Mönche starken Widerstand leisteten. Der Beamte Chan Man Wai wollte
sich einen Namen verschaffen und schmiedete einen Plan, für den er
sich u. a. mit Ma Ning Yee verschwor, welcher das Kloster von innen
heraus in Brand setzte. Dabei kamen die meisten Klosterbewohner ums
Leben. Die buddhistische Meisterin Ng Mui, der Abt des Klosters
Meister Chi Sin mit den meisten Schülern, Meister Pak Mei, Meister
Fung To Tak und Meister Miu Hin konnten entkommen. Sie waren die
Führer der fünf Shaolin-Stile und wurden die "Fünf Älteren" genannt.
Die Authentizität dieser Überlieferung ist umstritten. Kangxi war
eher ein Unterstützer zumindest des nördlichen Shaolinklosters, wie
eine über dessen Eingang angebrachte Kalligrafie noch heute belegt.
Nach der Zerstörung des Klosters trennten sich die Überlebenden, um
der Mandschu-Regierung leichter zu entkommen. Meister Chi Sim nahm
eine Tarnidentität als Koch auf einer "Roten Dschunke" an. So wurden
Transportschiffe einer Operntruppe bezeichnet, die üblicherweise mit
roter Farbe gestrichen und bunten Fahnen geschmückt waren. Die Nonne
Ng Mui dagegen ließ sich im Weißer-Kranich-Tempel am Tai-Leung-Berg
nieder, wo sie sich der Kampfkunst und dem Chan widmen konnte.
Am Marktplatz eines nahen Dorfes lernte Ng Mui ein junges Mädchen
namens Yim Wing Chun und deren Vater Yim Yee kennen, welche dort
Tofu verkauften. Die beiden waren aus ihrer Heimat in der Provinz
Guangdong geflüchtet, da Yim Yee in eine Gerichtssache verwickelt
war (man sagt, unschuldig), die ihn das Leben hätte kosten können.
Als Schüler des Shaolin-Klosters hatte er einige Kampftechniken
erlernt und sorgte in seiner Gegend für Gerechtigkeit. Die
resultierenden Schwierigkeiten zwangen ihn, seine Heimat zu
verlassen und sich am Tai-Leung-Berg niederzulassen. Der Legende
nach hat die Kampfkunst dem Mädchen Yim Wing Chun seinen Namen zu
verdanken.
Die heranwachsende Yim Wing Chun zog den im Ort als einen
notorischen Schläger bekannten Wong derart an, dass er um ihre Hand
anhielt. Doch sie war schon als kleines Kind Leung Bok Chau, einem
Salzkaufmann aus Fujian, versprochen worden. Wong schickte einen
Boten, setzte Yim Wing Chun eine Frist und drohte, Gewalt
anzuwenden, falls sie sich ihm verweigerte. Vater und Tochter lebten
von nun an in großer Sorge, da niemand im Dorf Wong, dem
Kampfkünstler und Mitglied einer Geheimgesellschaft, gewachsen war.
Ng Mui erkannte als regelmäßige Kundin Yim Yees, dass die beiden von
Sorgen gequält wurden. Schließlich erzählte Yim Yee von Wong. Ng Mui
beschloss, Yim Wing Chun zu helfen, wollte den Bösewicht aber nicht
selbst bestrafen, da sie ihre Tarnidentität nicht aufgeben wollte
und ein Kampf zwischen ihr, der Meisterin aus dem Shaolin-Kloster,
und einem Dorfschläger unfair und ruhmlos gewesen wäre. Deshalb
brachte sie Yim Wing Chun ihre neue Kampfkunst bei. Nach nur drei
Jahren Privatunterricht hatte diese das neue Kampfsystem gemeistert.
Ng Mui schickte sie nach der Ausbildung im Weißer-Kranich-Tempel
zurück zu ihrem Vater. Sofort wurde Yim Wing Chun wieder von Wong
bedrängt, doch dieses Mal forderte sie ihn zum Kampf auf. Der Rowdy
war sich seines Sieges sicher, sollte sich aber getäuscht haben,
denn Yim Wing Chun schlug ihn zu Boden.
Nachdem Yim Wing Chun den Schläger besiegt hatte, setzte sie ihr
Training fort. Als Ng Mui beschloss, weiterzureisen, ermahnte sie
Yim Wing Chun, einen würdigen Nachfolger zu finden und nur die
richtigen Schüler zu unterweisen. Diese Mahnung wurde auch von den
folgenden Generationen befolgt.